Der Schwan im Exil
Die Fotoserie entstand im Rahmen der Ausstellung „Drinnen & Draußen - Kunst, Musik und Literatur im Exil“ 2025 in der Galerie Forum Amalienpark. Sie ist der Versuch, durch das Nebeneinander gleichwertiger Einzelblicke auf die Stadt Berlin eine kohärente Erzählung über Herkunftsorte der Fotografinnen zu schaffen, die nach 1933 vor den Nationalsozialisten fliehen oder sich verstecken mussten. Die Annäherung zielt auf ein fotografisches Erbe, dass bis heute den eigenen Blick auf die Welt und insbesondere auf die Stadt beeinflusst. Für meine Streifzüge durch die Stadt wählt ich das Gedicht „Le Cygne“ von Charles Baudelaire als Denkbild für Heimatlosigkeit und Entfremdung. Es war Victor Hugo gewidmet, der damals in der Verbannung lebte. Ausgestattet mit dem Temperament der Melancholie und der Fähigkeit zum Gesang, gilt der Schwan als Sinnbild des Künstler-Flaneurs. Walter Benjamin, dessen Leben im Exil 1940 tragisch endete, hatte sich in dem unvollendeten Passagen-Werk bis zum Schluss mit einer Baudelaire-Interpretation befasst. „Den Flanierenden leitet die Straße in eine entschwundene Zeit. Ihm ist eine jede abschüssig. Sie führt hinab, wenn nicht zu den Müttern, so doch in eine Vergangenheit, die um so bannender sein kann als sie nicht seine eigene, private ist.“
Ausgebrannter Imbiss auf der Alarichstraße, Erinnerung an die Fotografin Ellen Auerbach | Ein großer Teil der Straßenszenen, die Ellen Auerbach (1906–2004) fotografierte, entstand auf ihren Reisen ins Ausland, darunter 1955/56 während einer mehrmonatigen Fotoreise durch Mexiko.
Berliner Ostbahnhof, Erinnerung an die Fotografin Germaine Louise Krull | 1928 erhielt Louise Krull (1897–1985) in Paris vom Magazin „Vu“ den Auftrag, Obdachlose abzulichten. Sie fotografierte Wohnungslose gegen deren Willen und nannte sie euphemistisch „Clochards“.
Hangar im Flughafengebäude Tempelhof, Erinnerung an die Heimatlosen | 1948 wurden 5.536 jüdische „Displaced Persons“ mit amerikanischen Militärmaschinen von Berlin-Tempelhof nach Frankfurt am Main ausgeflogen.
Fontanepromenade, Erinnerung an die Fotografin Eva Kemlein | Ab 1940 musste sich Eva Kemlein in der „Zentraldienststelle für Juden“ in der Fontanepromenade 15 melden und wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet.
Zwischenlager für Container am Blankenburger Pflasterweg, Erinnerung an die Fotografin Lore Ottilie Krüger | Lore Krüger (1914–2009) wurde 1940 im Konzentrationslager Gurs in den Pyrenäen und 1941 in einem englischen Internierungslager auf der Insel Trinidad interniert.
Berliner Laube, Erinnerung an die Fotografin Eva Kemlein | Die Vertraute „Mutter Fenn“ besaß in Berlin-Treptow eine Laube, in der sich Eva Kemlein (1909–2004) und ihr Mann von 1942 bis 1945 immer wieder verstecken konnten.
Nationalgalerie Berlin, Erinnerung an die Fotografin Gisèle Freund | Julius Freund, der Vater von Gisèle Freund (1908–2000), war Kunstsammler und bis 1930 Eigentümer des Bildes „Kreidefelsen auf Rügen“ von Caspar David Friedrich. 1942 wurde seine gesamte Sammlung in Luzern versteigert.
Nollendorfplatz, Erinnerung an die Fotografin Gisèle Freund | Bereits als Schülerin besuchte Gisèle Freund die Vorstellungen des „Theaters am Nollendorfplatz“ in Berlin.